Im 18. Jahrhundert war noch in fast allen europäischen Territorien die Folter selbstverständlicher Bestandteil des Strafverfahrens. Kreittmayr unterwarf sie jedoch im Kriminalcodex von 1751 strengeren Voraussetzungen und plädierte für eine moderate Anwendung. (11) Erst König Maximilian I. Joseph schaffte durch Verordnung vom 7. Juli 1806 die Folter in Bayern endgültig ab. Bis dahin kann man in der Oberpfalz davon ausgehen, dass mindestens ab der Einführung des Oberpfälzer Landrechts 1657 eine gerichtliche Befragung nach folgendem Muster ablief: Zur Mindestbesetzung eines Kriminal-Gerichts gehörten ein Justiz-Rat und ein Gerichtsschreiber. (12) In Städten sollten noch zwei oder drei „ehrliche“ Männer „gutes Aufmerken bezeigen“, und dem Richter „mit Rath und That“ zur Verfügung stehen. (13) Falls sich der Angeklagte nicht kooperativ zeigen wollte, sollte er bei Kapital-Verbrechen durch die Tortur, in anderen Fällen durch „empfindliche Carbatsch-Streich“ oder durch „geringe Atzung in Eisen und Banden dazu angehalten werden“. (14) Unter Karbatsche verstand man eine Peitsche, die aus geflochtenen Lederriemen zusammengesetzt war. Sie wurde bis zum 19. Jahrhundert für die nicht öffentliche Züchtigung eingesetzt, aber auch im geschlossenen Strafvollzug als Disziplinierungsmittel verwendet. (15) Bei der „landsgebräuchlichen Tortur“ unterschied man in der Oberpfalz zwischen Daumenstock, Aufziehen und Spitzruten. (16) Im Daumenstock, einer Art kleiner Schraubzwinge, wurden Daumen oder andere Finger eingespannt. Per Gewinde verringerte oder vergrößerte man den Abstand zwischen den beiden Zwingenplatten. Schlecht heilende Frakturen waren das reguläre Ergebnis. Mit „Aufziehen“ meinte man einen mehrstufigen Vorgang, der mit dem Zusammenbinden der Hände auf dem Rücken begann. Dann wurde der Haken am Seilende des Aufziehmechanismus in die Fessel eingeschlagen und der Körper hochgezogen bevor man ihn wieder fallen ließ. Zur Steigerung befestigte man noch unterschiedlich schwere Steine an den Füßen. Dies konnte neben anderen Verletzungen zu Luxationen der Schultergelenke führen. Für die Spitzrutenfolter schnallte man den Delinquenten auf eine Bank, wo man den Wehrlosen mit Hasel- oder Weidenruten traktierte. Kreittmayrs Kriminalcodex von 1751 beschränkte sich darauf, den Angeklagten mit dem Gesicht nach unten zu legen, so dass nur noch der Rücken ausgepeitscht werden konnte. Vorgesehen waren vier Schweregrade der peinlichen Befragung sowohl bei Delinquenten als auch „Gezeugs-Personen“: Das Anlegen der Folterwerkzeuge in der Torturkammer galt bereits als erste Stufe, z. B. das Einschieben der Daumen in den Daumenstock oder das Zusammenbinden der Hände im Rücken mit Einschlagen des Hakens oder das Aufschnallen des Delinquenten auf die Bank. Im zweiten Grad wurden erstmalig die Werkzeuge angewendet, einmal die Daumen schraube eingedreht, einmal leer - ohne Gewichte - aufgezogen oder einige wenige Spitzrutenstreiche verabreicht. Ernsthafte Verletzungen zog sich der Delinquent nun bei der dritten „geschärften“ Stufe zu. Hier wurde der Daumenstock mehrfach „gänzlich“ zu- und aufgeschraubt oder das Opfer mit 25 bis 50 Pfund schweren Steinen wiederholt aufgezogen. Das Spitzrutenstreichen konnte zwei Tage dauern. Beim ersten Mal waren 15 bis 20, beim zweiten Mal 20 bis 25 und zuletzt 25 bis 30 Streiche vorgesehen. (17) Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, „[…] daß die Maleficanten noch mehr durch die gemeiniglich zweymahl 24 Stund anhaltende Leib-Gürtel bezwungen werden.“ (18) In Einzelfällen war der Bock das letzte Mittel, der allerdings nur auf Befehl angewendet werden durfte. Den erklärt Kreittmayr folgendermaßen: „[…] ist ein Brett mit spitzigen Nägeln von Holz, worauf der Delinquent mit bloßem Leib sitzen muß. Dabei ziehet man ihm zwischen beeden Armen und dem Rücken einen ebenfalls mit hölzernen Nägeln zugespitzten Prügel durch, die Daumen von beeden Händen und Füssen werden mittels Bindschnüren in die Länge und Quer so stark zusammen gezogen, als ohne Beschädigung der Gliedmassen nur möglich ist. Darunter versetzt man dem Delinquenten 25 bis 30 Spitzruthen- Streich und wird der Prügel zwischen dem Arm und Rucken öfters umgedreht.“ (19) Diese Art von Befragungstechnik nebst Aufbewahrung der Delinquenten bis zur Hinrichtung oder Kerkerstrafe war die ursprüngliche Zweckbestimmung der Amberger Fronfeste. Für die Kosten von „Sitz- und Eisengeld, Vorführen, Bothen-Lohn“, „Atzung“ und Aburteilung mussten die Gefangenen oder ihre Erben selbst aufkommen. Dem Scharfrichter stand z. B. ein Reisekostensatz von 1 Gulden 30 Kreuzer pro Tag zusätzlich zum „Wart-Geld“ zu. (20) |